Zwei Stunden Augenkontakt: Das erwartet euch beim Eye-Contact-Experiment (+Audio)

Zwei Stunden Augenkontakt: Das erwartet euch beim Eye-Contact-Experiment (+Audio)

3,3 Sekunden – so lange finden es Europäer einer Studie des University College London zufolge angenehm, sich in die Augen zu blicken. Zu kurz wirkt schüchtern, zu lange aggressiv. Obwohl ich sie nicht kannte, habe ich mich bisher unbewusst wohl immer an diese Regel gehalten. Doch das soll sich nun ändern.

Ich bin beim Eye-Contact-Experiment in München

In dem Raum sind vier Stuhl- bzw. Hockerreihen parallel zueinander angeordnet. Vereinzelt sitzen schon Menschen auf den Stühlen. Ich setze mich auch auf einen Platz. Der gegenüberliegende Stuhl ist nicht besetzt – noch nicht. Um etwas zu tun, gehe ich erstmal etwas zu trinken holen.

Ich nehme an einem Eye-Contact-Experiment in München teil. Das Experiment gibt es mittlerweile seit anderthalb Jahren in München. Es findet jeden Monat statt, manchmal sogar einmal die Woche. Ich mache es aber zum ersten Mal. Was mich dort genau erwartet, weiß ich daher nicht. Ab 19 Uhr geht es los – zwei Stunden lang.

Als ich vom Getränkeholen wiederkomme, sitzt ein junger Mann auf dem Stuhl gegenüber. Dunkle Haare, dunkle Augen, weißes Hemd, Jeans.

Nachfolgend könnt ihr meinen Erfahrungsbericht über das Eye-Contact-Experiment in München lesen. Damit ihr aber nicht nur meine Einschätzung des Experiments bekommt, habe ich euch ein paar O-Töne der Teilnehmer in einer Umfrage zusammengestellt, die erstaunliche Antworten für euch bereithält. Viel Spaß beim Anhören.

Lachen oder weinen – alles egal

Kaum habe ich mich hingesetzt, geht es los. Die Anweisung ist einfach: Wir sollen uns in die Augen schauen und dabei nicht reden oder etwas anderes tun. Andere Vorgaben gibt es nicht. Wer möchte, kann jederzeit gehen oder den Partner tauschen. Lachen oder weinen – alles egal. Wir sollen unseren Gefühlen freien Lauf lassen.

Eye 1 (2)

Also dann: Der Unbekannte gegenüber und ich grinsen uns verhalten an, weil uns die Situation so absurd vorkommt. Schnell sinken die Mundwinkel aber wieder nach unten und wir sehen uns nur noch konzentriert in die Augen. Unheimlich, wie vorher befürchtet, finde ich das nicht.

20 Minuten halte ich durch – dann möchte ich an die frische Luft

Ich frage mich, was mein Gegenüber wohl für ein Mensch ist, wie er heißt und was er macht. Auf der Straße wäre er mir vermutlich nicht aufgefallen. Nun starre ich ihm in seine warmen braunen Augen und beobachte dabei seine Mimik. Kaum eine Regung ist mehr zu sehen. Nur manchmal zucken seine Lippen.

Irgendwann schweifen meine Gedanken ab – ich fixiere zwar weiterhin die braunen Augen, allerdings verschwimmen sie, scharf wird der Hintergrund. Dabei bin ich ganz ruhig und fühle mich entspannt, ein bisschen wie bei einer Meditation – allerdings mit offenen Augen.

Mir fällt auf, dass ich häufig blinzeln muss. Viele haben schon ihren Eye-Contact-Partner gewechselt. Nach etwa 20 Minuten möchte ich auch an die frische Luft.

Kurz darauf treffe ich meinen Eye-Contact-Partner draußen. Wir stellen uns vor, obwohl wir uns gar nicht mehr fremd vorkommen und kommen leicht ins Gespräch. Schon ein bisschen verrückt, dass man sich schon bekannt vorkommt, finde ich.

Eye-Contact

© Marco van Bree

Vor zwei Jahren kam das Experiment nach München

Von Australien aus ist das Experiment in 150 verschiedene Städte weltweit gebracht worden, erzählt mir Eye-Contact-Organisator Marco van Bree. Das war etwa vor zwei Jahren. Marco nahm an einem dieser Experimente teil – und etablierte es daraufhin auch in München.

Die Übung gebe es aber schon viel länger, erzählt er mir, auch in vielen Religionen und Philosophien werde sie praktiziert. Der Sinn: Die Menschen sollen sich miteinander verbinden und offener werden.

Am Ende wird es nochmal etwas creepy

Am Ende wird es nochmal etwas creepy. Wir sollen unserem, zuvor noch nicht gegenübergesessenen Eye-Contact-Partner persönliche Dinge erzählen. Wir sollen uns an einen Moment erinnern, an dem wir einen guten Freund hatten, an einen Moment, in dem wir uns richtig energiegeladen gefühlt haben. Schließlich sollen wir uns an den Händen nehmen und uns sagen, was uns am anderen gefällt.

Auch wenn mein Gegenüber mir sympathisch ist, fühle ich mich dabei nicht ganz wohl. Er auch nicht, das merke ich.

Bis auf den Abschluss hat mir das Experiment dennoch gefallen. Es war eine absolut neue Erfahrung für mich. Das ich ab jetzt Menschen länger in die Augen sehe, glaube ich aber nicht. Die 3.3 Sekunden sind für mich absolut ausreichend :-).

(Fun-)Fact: Das bislang längste Eye-Contact-Experiment führte die Künstlerin Marina Abramovic´ 2010 durch. Sie saß insgesamt 721 Stunden Besuchern des Museum of Modern Arts in New York gegenüber und schaute ihnen schweigend in die Augen.

Daten zum Event:

  • Ort: Wird über Facebook bekannt gegeben (ihr kommt gleich auf die Seite, wenn ihr den Link anklickt); ansonsten auch über einige weitere Plattformen, etwa Meetup, Coachsurfing oder München mag ich.
  • Eintrittspreis: 3 Euro

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